Samstag, 24. Januar 2009
 
„Dublin“-Odyssee eines jungen Afrikaners PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Michael Genner   
Mittwoch, 2. Juli 2008

Italien – Deutschland – Italien – Deutschland – Italien - Österreich...  so lauteten die Stationen eines minderjährigen afrikanischen Flüchtlings.


Allam Y. stammt aus Darfur im Sudan. Er flüchtete 2003, mit 15 Jahren, zunächst in den Tschad, dann teils zu Fuß durch die Wüste nach Libyen und dann in einem Flüchtlingsboot über das Meer nach Italien. Dort fand er keinen Schutz. Nach ein paar Wochen warf man ihn aus dem Lager raus und drückte ihm ein Schreiben in die Hand: er müsse Italien sofort verlassen.

Er lebte dann mit anderen Flüchtlingen in einem Zeltlager bei Foggia, dann bei Syrakus, arbeitete schwarz auf Tomatenplantagen; zweimal sperrte die Polizei ihn ein und forderte ihn erneut auf, das Land zu verlassen. Nach zwei Jahren flüchtete er, nun 17jährig, nach Deutschland weiter.

Dort ging es ihm zunächst ganz gut, er stellte in Frankfurt einen Asylantrag, wurde in ein Kinderheim gebracht, hatte endlich ein Dach über dem Kopf, lernte Deutsch – aber dann beschlossen die deutschen Behörden, daß Italien für ihn zuständig sei. So sieht es die berüchtigte „Dublin II-Verordnung“ vor.

Sie gaben ihm ein Papier, mit dem er (freiwillig und unbegleitet) ins Flugzeug stieg und nach Mailand flog. Aber die italienischen Behörden verweigerten ihm die Einreise und schoben ihn nach Deutschland zurück. Nach 20 Tagen schickten ihn die Deutschen wieder nach Italien, diesmal in Begleitung seiner Heimleiterin. Diesmal ließen ihn die Italiener herein, nahmen ihm sein weniges Geld weg und stellten ihn auf die Straße.

Irgendwie schlug er sich wieder nach Foggia durch, wurde nicht ins Lager gelassen, lebte einige Monate bei Syrakus mit anderen Illegalen, 50 Kilometer von der nächsten Stadt, ohne Strom und Wasser. Um Wasser zu holen, mussten sie 40 Minuten gehen. Dort traf ihn die deutsche Reporterin Carmen Te, die einen Dokumentarfilm über Flüchtlinge in Italien drehte. Sie interviewte ihn und gab ihm etwas Geld. Im Oktober 2006 flüchtete er nach Österreich.

Sein Asylantrag wurde wegen „Dublin“-Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen. Allam kam in Schubhaft, trat in Hungerstreik, Polizisten fesselten ihn an Händen und Füßen mit einem Klebeband und brachten ihn zum Flugzeug. Er bat sie flehentlich, ihn nicht abzuschieben, sie schlugen ihn, er wandte sich verzweifelt an den Flugkapitän. Der weigerte sich, ihn mitzunehmen. Allam wurde in die Justizanstalt Korneuburg gebracht.

Die Polizisten sagten aus, er habe sie geschlagen... Allam wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu zwölf Monaten Gefängnis (vier davon unbedingt) verurteilt. Während der Haft versuchte er zweimal, sich zu erhängen. Der Gefängnisseelsorger, Herr Dvorak, nahm sich seiner an und stellte den Kontakt zu mir her.

Allam stellte am Ende der Strafhaft einen neuen Asylantrag, ich übernahm seine Rechtsvertretung und erhob Berufung gegen den neuerlichen Dublinbescheid. Ich beantragte, Carmen Te als Zeugin zu befragen, ihren Film zum Beweis der menschenunwürdigen Zustände in Italien herbeizuschaffen und den italienischen Asylakt aus dem Jahre 2003 anzufordern.

Zu meiner freudigen Überraschung gab die Erstaufnahmestelle West der Berufung statt und erließ eine „Berufungsvorentscheidung“: Sie hob also ihren eigenen Bescheid auf. Der „Ermittlungsaufwand“ infolge meiner Anträge sei so groß, dass Österreich doch lieber vom „Selbsteintrittsrecht“ Gebrauch machen wolle...

Bald darauf kam es noch besser: Seelsorger Dvorak begleitete Allam zur Einvernahme über seine Fluchtgründe nach Traiskirchen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes erhielt Allam im März 2008 Asyl!

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